Wir lieben Schloss Neuhardenberg und das gerade zu Ende gegangene Sommer-Alternativ-Programm »Ins Freie!« kam wie gerufen – endlich wieder Live-Kultur! Den August hindurch exklusive Angebote und zum Ende hin ein ganzer Abend Babettes Fest – Lesung, Gespräch, Film. Was für ein Glück…
Sattes Grün, strahlender Sommer und eine pandemietaugliche Einrichtung eines tollen Zeltes für Podium und Auditorium – feste Plätze mit viel Rasen zwischen den Sitzen und trotzdem entsteht sofort dieses so vermisste Gemeinschaftsgefühl, dieses Zusammensein, was man nur in einer Veranstaltung oder einer Kinovorführung hat. Da gibt es eine Energie, eine Hinneigung aus Neugier, Interesse, Spannung, Erwartung, Vorfreude, die alle Anwesenden eint. Das ist wunderbar und ein einzigartiger Moment, der so niemals reproduzierbar ist, da sich Publikum, Stimmung, Anlass immer und immer unterscheiden. Nicht einmal beim Besuch von Richard Wagners Ring sind alle Abende unterschiedslos, obschon man (wahrscheinlich) immer neben den gleichen Mithörer*innen sitzt – schließlich kennt man sich über jede Stunde gediegenes Drama ein bisschen besser.
Man sitzt in Neuhardenberg also im Gras auf Stühlen unter einem Kuppelzelt und Martina Gedeck beschreitet die Bühne für den ersten Teil des Abends, die Lesung – Babettes Fest von Tania Blixen. Erster Applaus… – seit Monaten das erste Mal diese Bewegung, dieses Geräusch. Es beginnt, Martina Gedeck schwebt durch den Text, erzählt, spielt, lacht – es entsteht ein Sog, der jedes Räuspern, Zurechtrücken, Scharren einfriert. Und man lässt sich mitnehmen, in die Worte, das Geschehen, den Witz, die Ironie, das Denken – ist ganz und gar ergriffen und wünscht sich, es möge einfach nicht zu Ende gehen…
Aber natürlich kommt das Ende und mit ihm ein Applaus, der ewig in Erinnerung bleiben wird. Als würden viele Monate Vakuum, Stillstand, Alleinsein aber auch Angst, Erschrecken, Sehnen einfach weggeklatscht, als würden wir nicht nur der fantastischen Künstlerin danken, sondern uns gleichzeitig Mut, Frohsinn und Zuversicht einander zuklatschen. Einen solchen Applaus für die Seele, in den selbst das Podium irgendwann einsetzt, weil es auch die erste Vorstellung für Martina Gedeck seit Beginn der Pandemie ist, wird es nicht wieder geben, aus dem man sich (auch) des Applauses wegen elektrisiert erhebt.
Er macht so klar, dass nicht nur Künstlerinnen und Künstler Bühnen und Publikum vermissen, sondern das Publikum mindestens genauso unter der kulturlosen Zeit leidet. Und er lehrt, dass nichts mehr selbstverständlich ist, dass wir wieder genauer hinhören und hinsehen müssen in unserem Alltag, auf Veranstaltungen und in Vorführungen, dass wir mit allen Sinnen genießen sollten, was uns geboten wird, wenn uns etwas geboten werden darf!
„Real art must always involve some witchcraft.“
Karen Blixen, Letters from Africa: 1914-1931 (1981) edited by Frans Lasson, translated by Anne Born